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Akademikerfanclub 1899 Hoffenheim Rhein-Neckar Heidelberg 2007 e. V.

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Borussia Dortmund vs. 1899 Hoffenheim

Mut und Demut

oder: Ein Brief zur Mahnung

Liebe Freunde und Anhänger der TSG 1899 Hoffenheim,

zuallererst möchte ich euch um Verzeihung bitten, aber es war wirklich viel los. Natürlich seht ihr das in dem Moment anders, aber ihr seid nun mal nicht die einzigen, die mich an dem Spieltag brauchten – und ich will ja auch fair bleiben zu allen. Und letztlich ist es ja noch einmal gut gegangen, so dass ich fest damit rechne, dass ihr das nachseht, so wie ich den Fußballfans nachsehe, die sehr dafür eintreten, dass es immer so sei, wie es an diesem Samstag war, nämlich dass alle Spiele eines Spieltags zeitgleich stattfinden.

Für mich ist das Stress pur, und so sehr ich mich auch bemühe, ich kann nicht überall gleichzeitig sein.

So war ich, als ihr mit 0:1 in Rückstand gerietet, um es in euren Termini zu sagen, rund 500 Kilometer südöstlich beschäftigt. Dort musste ich ebenfalls eingreifen, denn obwohl ihr sicherlich nichts dagegen gehabt hättet, wäre es doch des Guten zu viel gewesen, wenn ich den Elfmeter dort zu euren Gunsten hätte zählen lassen.

Und ich finde, mir ist dort auch eine sehr lustige Idee gekommen. Den Spieler derart weit in den Strafraum laufen zu lassen, dass der Schiedsrichter dort die Ausführung des Strafstoßes selbst fast nicht hätte sehen können, das gab es noch nie. Ich fand das sehr originell.

Aber damit war ich halt bei euch etwas unkonzentriert und konnte nicht verhindern, dass der Mittelstürmer der Heimmannschaft den Ball noch an die Hüfte bekam, wodurch Koen Casteels den Ball nicht nur nicht abwehren konnte, sondern er auch gleich wieder dem Angreifer vor die Füße sprang, so dass er gar nicht anders konnte, als die Führung für seine Mannschaft zu erzielen.

Ich fühlte mich wirklich schuldig, denn irgendwie wollte ich euch im Süden nicht zu sehr helfen, habe euch selbst aber dann doch geschadet, insbesondere eurem sympathischen Torwart, der ja auch bis vor dem Spiel zumindest nicht ganz unumstritten bei euch war, wenn ihr ehrlich seid.

Ich denke aber, dass ich das mehr als wettgemacht habe und auch er inzwischen wieder an mich glaubt, denn ohne mich selbst jetzt zu sehr zu loben, ohne meine Hilfe hätte er die zahlreichen Chancen der Gastgeber nicht halten können.

Aber er hat sich diese Hilfe auch verdient, weil er engagiert war. Wenn ihr euch erinnert, war es doch so: Beim ersten Ball sah er unglücklich aus, das war mein Fehler (siehe oben), dann hat er zwei, drei Bälle mit Nachfassen gehalten, danach aber hielt er jeden Ball fest.

So kommt das halt, wenn man seine Chance erkennt und demütig bleibt, denn glaubt mir, was ich von ihm zu spüren bekam, war reine Dankbarkeit. Er wähnte sich ja im falschen Film, schließlich wollte er es all den Kritikern auch beweisen, dass er vielleicht noch kein sehr guter, aber ein guter Torwart ist, der sich bemüht, der bescheiden und ruhig ist, und sich den Aufgaben widmet, die ihm zugeteilt sind.

Ohnehin ist das ja mit der Demut so eine Sache bei euch. Dabei schließt es sich überhaupt nicht aus, hohe Ansprüche zu haben, sie zu formulieren und dennoch demütig zu sein.

Schaut euch die Größten und Bekanntesten an, die ihr kennt, ganz gleich, ob das Menschen, Unternehmen oder Vereine sind: die, die langfristig erfolgreich sein wollen, zu den Größten und Bekanntesten zählen wollen, sind die, die immer auch wussten, dass sie alleine nicht der einzige Grund für ihren Erfolg sind.

Ich dachte ja eigentlich, dass ihr aus den letzten Spielzeiten eure Lektion gelernt hättet. Aber manchmal seid ihr Menschen mir immer noch ein Rätsel.

Nun ist es ja nicht so, dass ich den Jüngsten, gerade wenn sie auf einer Welle des Erfolgs sind und dabei verständlicherweise halt denken, dass sie der Grund alles Schönen und Guten seien, gleich alles kaputt mache. Nachsicht ist eine meiner größten Tugenden. Aber so nach und nach erwarte ich schon, dass man versteht, dass es immer ein Zusammenspiel von vielen Faktoren ist, die für den Erfolg einer Sache verantwortlich sind – bzw. deren Ausbleiben für den Misserfolg.

(Und glaubt bloß nicht, das sei immer nur Zufall … aber ich denke, das tut ihr jetzt nach der Schlussviertelstunde eh nicht mehr. Und ganz ehrlich: ich hoffe, dass ihr das sogar nie wieder glaubt – und das dürft ihr gerne als Warnung verstehen.)

Aber ihr habt Mut bewiesen, auch wenn ich euch eigentlich kaum eine andere Chance ließ. Aber immerhin habt ihr die erkannt und letztlich doch den Mann mit den Aufgaben betreut, der für euch der richtige ist.

Leider musste ich ihn einer harten Gewissensprüfung unterziehen. Auf jeden Erfolg eurerseits ließ ich einen Misserfolg folgen. Aber er hat seinen Weg nicht verlassen und weiterhin Wort gehalten. In jeder Situation . Bei allem Druck. Er blieb standhaft in seinem Glauben. An ihm können sich viele von euch eine Scheibe abschneiden, wie man so in eurer Sprache sagt.

Und so hat vor allem er es verdient und die, die an ihn glaubten, eine Chance zu erhalten, eine allerletzte Chance. Alles, was es brauchte, war nur der Bruchteil einer Sekunde, den ich den Verteidiger habe langsamer werden lassen und schon hattet ihr sie.

Aus meiner Warte gesehen war es ja auch spannend. Hinten konnte euch nichts mehr passieren, was ja spätestens dann auch wohl dem letzten von euch klar war, als Casteels den einen Fernschuss mit seinen Fingernägeln noch an die Latte lenkte.

Aber im Sturm kamt ihr ja nie näher als 15 Meter ans gegnerische Tor, also musste ich helfen. Aus elf Metern und ohne Gegenspieler hat es dann geklappt. Und wie …

Ich muss sagen, das hat mir sehr gefallen, wie Salihovic den Strafstoß verwandelte. Volles Risiko, Vollspann, oben ins Eck. Das hatte was.

Und ihr bliebt mutig, allen voran euer Trainer, der auch in der Situation an seinen Weg glaubte und erneut unkonventionell auswechselte. Das tat er in der Vergangenheit, das tat er zur Halbzeit, als er euch vor die große Frage stellte, wer ist denn die 43?

Gleichzeitig blieb er aber nicht stur. Die Verteidiger, die er zuletzt aufstellte, wären in der Situation gewiss überfordert gewesen. Also nahm er Rücksicht auf sie, stellte Johnsson erst nach hinten und Ochs auf, der vielleicht nicht der kompletteste Spieler ist, aber einer, der mehr Erfahrung mit solchen Situationen hat.

Und er erkannte, dass Rudy hochwahrscheinlich ein ganz persönliches Spielende durch den Spielleiter erhalten hätte, wäre er zur 2. Halbzeit aufgelaufen. Gisdol hatte aber den Mut, einen erfahrenen Spieler sicherheitshalber zum Wohle des Ganzen herauszunehmen und mit Robin Szarka einen Spieler zu bringen, den der Gegner nicht kannte (Ihr ja auch nicht, oder?), wie auch, hatte er ja noch nie zuvor in der Bundesliga gespielt.

Später kam dann Schipplock, dessen ganze Art mir zusagt. Auch nicht der beste aller Stürmer, aber ein fleißiger Arbeiter, der seine Defizite kennt und an ihnen arbeitet, aber auch seine Stärken und sie einsetzt.

Das tat er dann in der 81. Minute.

Gewiss wäre es ihm ein Leichtes gewesen, den Torwart der Gastgeber zu umspielen und einzunetzen, aber das war mir zu einfach. So einfach hattet ihr es nach der Spielzeit nicht verdient.

Ich gebe jedem seine Chance, auch eine zweite und dritte. Rund 200 Kilometer nördlich tat ich das auch, aber da nahm niemand das Angebot an.

Salihovic tat es. Dass der Schiedsrichter dabei dem Torhüter auch noch die rote Karte zeigen musste und, da das Auswechselkontingent schon erschöpft war, ein Feldspieler ins Gehäuse musste, war die Folge eures selbstgemachten Regelwerks. Dafür bin ich nicht verantwortlich. Und letztlich war es auch egal. Es war ja nicht mehr so lange zu spielen, und die Heimmannschaft konnte das verknusen.

Mir ging es um den Test eurer Mannschaft. Lange Zeit stand ja Firmino mit dem Ball in der Hand am Elfmeterpunkt. „Oh, oh!“ dachte ich so bei mir, und ich kann euch versichern: Er hätte nicht getroffen.

Aber dann doch der Spieler, der zu Anfang der Saison so ungestüm war, der Mannschaft damit, den darauf folgenden Platzverweisen sowie verschleppten Verletzungen erheblich schadete, und er nahm sich nicht den Ball von Firmino (da hätte ich es mir vielleicht überlegt), sondern er nahm ihn von ihm entgegen.

Das war mutig. Das gehörte belohnt – und auch hier war es wieder die Art, die ich imposant fand: Klar, wollte er auf Nummer Sicher gehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Feldspieler in ein Eck fliegt, war sehr gering. Aber falls doch … und er schießt zu lasch? Da entschied sich Salihovic für die sicherste Variante, knallhart in die Mitte. Denn selbst wenn der Spieler stehen geblieben wäre, wäre der Ball ins Tor gegangen, dann allerdings auf Kosten einer komplizierten Handfraktur. Damit hätte ich aber in das Spiel kommenden Samstag eingegriffen und das wollte ich ja auch auf gar keinen Fall.

Vier Minuten Nachspielzeit. Das wolltet ihr natürlich nicht. Euch wäre es wohl am liebsten gewesen, ich hätte einen zweiten Ahlenfelder produziert. Aber auch das wäre nicht fair gewesen. Vier Minuten waren es.

Genug Zeit für meinen letzten Test. Ein Schuss aus 20 Metern, der zumindest gefühlt durch ebenso viele Beine ins lange Eck in euer Tor rollte. Eben noch in der Relegation, dann doch in Liga 2. Was war richtig? Was wäre verdient für euch?

Man verdient, wofür man kämpft. Ehrlich und reinen Herzens, und so kann ich euch sagen, dass auch dieses Tor Casteels verhindert hat. Wie er auf den Assistenten zugerannt ist, nachdem der Schiedsrichter zuerst auf Tor entschied, war aller Ehren wert.

Er war situativ offensiv, aber nicht persönlich aggressiv. Und er fand die richtigen Worte, denn sie bewogen den Assistenten dazu, den Spielleiter zu sich zu bitten, der dieser Bitte Folge leistete. Ebenso übrigens wie eure Spieler, die die beiden in Ruhe sprechen ließen. Gewiss keine ganz leichte Aufgabe in einer solchen Situation für euch Menschen. Aber auch das – avec bravour.

Der Schiedsrichter nahm das Tor zurück (korrekterweise, wie auch der Trainer der Heimmannschaft nach anfänglichen Zweifeln einräumte) – und pfiff kurze Zeit danach das Spiel ab.

Damit war zwar auch klar, dass euer Torwart und euer Kapitän nicht in ihren Nationalmannschaften werden spielen können, aber, so bin ich nun mal, ich möchte auch, dass man Opfer bringt.

Freut mich, dass ich euch eine so große Freude machen konnte. Wäre ja auch irgendwie unschön gewesen, wenn ihr genau am selben Tag, an dem ihr verdient aufgestiegen seid, hättet absteigen müssen.

Aber auch dieser Datumsbonus ist nun weg. Deshalb müsst ihr das Ganze von nun an ohne meine Hilfe meistern. Trotzdem werde ich mir die Relegationsspiele anschauen – wie immer von über dem Stadion.

Euer

…………………
(Fußballgott)

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